Was uns antreibt, was uns wichtig ist (von Dr. Richard Meng)
50 Jahre alt – und kein bisschen müde: Die Karl-Gerold-Stiftung steht für die Förderung von engagiertem Journalismus. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten, festgelegt aus Stiftungszweck, zählen bundesweit ausgeschriebene Stipendien für Journalismusstudierende und die Förderung von Reportagereisen junger Journalistinnen und Journalisten – die Texte werden dann in der Frankfurter Rundschau abgedruckt.
Gegründet im Juli 1975 aus dem Nachlass des langjährigen Herausgebers und Chefredakteurs Karl Gerold hat die Stiftung sich über die Jahrzehnte zur Institution an der Seite der FR und ihrer Redaktion entwickelt. Und immer wieder geht es dabei um die Frage: Was heißt das heute, Journalismus mit linksliberaler Haltung? Die Redaktion profiliert das Blatt, die Stiftung unterstützt dieses Profil – auch durch Diskussionsveranstaltungen zu aktuellen Themen, gemeinsam mit der Chefredaktion.
50 Jahre Gerold-Stiftung lassen sich in drei Abschnitte aufteilen. Anfangs besaß die Stiftung zwei Drittel am Druck- und Verlagshaus der Frankfurter Rundschau. 1984 ging auch das restliche Drittel in ihrem Besitz über. Damit war sie direkt auch in der Steuerungsverantwortung für Verlag und Zeitung. Mit der Übernahme von 90 Prozent der Anteile durch die SPD-Medienholding DDVG im Mai 2004 und auch nach den späteren Weiterverkäufen verblieb bei der Karl-Gerold-Stiftung nur noch ein zehnprozentiger Anteil. Seitdem sieht sich vor allem als Partnerin der FR mit besonderem Blick für die Wahrung des publizistischen Ansatzes.
Im fünfköpfigen Stiftungskuratorium ist auch die Redaktion stets mit einem Sitz vertreten. In den für die Zeitung spannenden, oft auch unruhigen beiden Jahrzehnten nach 2004 gab es in der Stiftungsleitung mit Wolfgang Lauth und danach Franz Mayr als Stiftungsvorstände sowie Roderich Reifenrath und später Richard Meng als Kuratoriumsvorsitzende viel Kontinuität.
Dass unabhängiger, profilierter Journalismus heute vielfach bedroht ist, erleben wir überall. In der globalen digitalen Welt ist zu oft das journalistische Herdenprinzip allgegenwärtig: Alle hetzen der neuesten Meldung nach, vielen fehlen Zeit und Hintergrundblick. Es sinkt die Zahl von festangestellten Journalistinnen und Journalisten weltweit, seriöse journalistische Kuratierung des täglichen Informationsflusses gerät generell unter Druck. Die Medienwelt ist unübersichtlich und undurchschaubar geworden, Vertrauen in publizistische Angebote wird rarer und wertvoller zugleich.
In solchen Zeiten ist kompetenter Journalismus, der sowohl Haltung zeigt als auch sich selbst transparent macht, ein wertvolles Gut. Im Alltag, im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung, für die Demokratie. Leider – und das liegt auch am Publikum und seiner Zahlungsbereitschaft, speziell für Journalismus im Netz – fehlt ihm oft eine ausreichende finanzielle Absicherung. Die Arbeitsplätze werden unsicherer, die Arbeitsbedingungen für viele Medienschaffende prekärer.
Da gegenzusteuern, ist wichtig. Im Sinne von Wertschätzung für guten Journalismus heute, aber auch bei der Förderung der nächsten Generation. Die Gerold-Stiftung hilft da nach Kräften – und weiß doch, dass in der großen Umwälzung unserer zunehmend zersplitterten Öffentlichkeiten und der vielfachen Meinungsmanipulation im Netz viele weitere mitmachen müssen, um die Medienvielfalt und ihre prägende Rolle für Stil und Inhalt des öffentlichen Diskurses zu bewahren. Die Erfahrungen in 50 Jahren Gerold-Stiftung belegen, wie wichtig das ist.
Die Rolle der FR dabei, aus Sicht der Stiftung betrachtet: Entwicklungen benennen und einordnen. Regional und überregional für eine kritisch-linksliberale Blickrichtung stehen, für sozialen Zusammenhalt ebenso wie für eine weltoffene Kultur, für Menschenrechte und sozialen Ausgleich weltweit, gegen Hass und Ausgrenzung. Entschieden jedem Versuch widersprechen, den Horizont wieder auf nationale Sichtweisen zu verengen, sei es aus Desinteresse an der Welt oder aus absichtsvollem Vorrang-Deutschland-Denken. Gegen jede Rückkehr von autoritärem, altem Denken die Stimme erheben. Gegen den Trend automatisierter, zunehmend KI-gesteuerter Scheininformation das Vertrauen in Qualitätsjournalismus erhalten.
Das ist die FR, wie die Gerold-Stiftung sie sieht, der die Stiftung auch für die nächsten Jahrzehnte ein unverwechselbares, attraktives Profil wünscht. Publizistische Kraft und eine große Leserschaft!
(Zum Autor: Dr. Richard Meng, geb. 1954, war zwischen 1983 und 2006 Redakteur der Frankfurter Rundschau – unter anderem als Hessenreporter, Bonner Bürochef, stellvertretender Chefredakteur, seit 2006 Mitglied im Kuratorium der Karl-Gerold-Stiftung, seit 2014 dessen Vorsitzender)